Von der Falle des Vergleichens: Jedes Kind ist anders – zum Glück!

Was kann mein Kind nicht, was andere in seinem Alter schon können? Das ist die wohl tödlichste aller Mama-Fragen. Doch schon in der Schwangerschaft und später bei den U- Untersuchungen beim Kinderarzt sind wir von Tabellen und Statistiken umgeben, an denen die Entwicklung unseres Kindes gemessen wird. So ist es nicht verwunderlich, dass sie uns Eltern manchmal Druck macht. Vor allem dann, wenn sie nicht so verläuft wie gewünscht.

Auch ich kann der Entwicklung meines Sohnes nicht immer tiefenentspannt zusehen. Doch was können wir tun, um nicht in die Falle des Vergleichens zu tappen? 

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Bei meinen Recherchen bin ich auf ein afrikanisches Sprichwort gestoßen: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Es meint, dass sich jedes Kind in einem ganz eigenen Tempo und auf seine individuelle Art und Weise entwickelt. Jedes Kind ist anders und hat verschiedenen Stärken und Schwächen. Ab wann es durchschläft, den ersten Brei isst, sich für andere Kinder interessiert und keine Windel mehr benötigt, hängt weniger von seinem Alter als ins erster Linie von seiner Persönlichkeit ab. 

Kinder sind mit ihren eigenen Eigenschaften, Charakterzügen, Vorlieben, Neigungen und Veranlagungen etwas ganz Besonderes. Mein kleiner Mann ist ein kleiner Wirbelwind, hat viel Energie und einen großen Bewegungsdrang. Er ist oft kuschelig und Nähe bedürftig. Motorische Dinge fallen ihm leicht. Er interessiert sich für allerlei Dinge und findet schnell Kontakt zu anderen Kindern. Gleichzeitig ist er ein anspruchsvoller Schläfer, findet schwer zur Ruhe und braucht oftmals lange, um einzuschlafen. 

Eins ist sicher: Niemand ist so wie MEIN Kind und niemand ist so wie DEIN Kind. Zum Glück! 

Alles, was wir einem Kind beibringen, kann es nicht mehr lernen

Wenn wir das Gefühl haben, dass unser Kind in seiner Entwicklung langsamer als andere ist, geraten wir schon mal in Versuchung, es ausgleichen zu wollen. Oftmals steckt dahinter eine Mischung aus dem Survival- of- the- fittest- Gedanken und der Sorge, das eigene Kind könnte in irgendetwas hinterherhinken.

Alles, was wir einem Kind beibringen, kann es nicht mehr lernen.“, heißt es schon bei dem Schweizer Entwicklungspsychogen Jean Piaget (1896 – 1980).

In Wirklichkeit entwickelt sich nämlich jedes Kind in seiner individuellen Geschwindigkeit. Durch den inneren Drang, wachsen zu wollen, seine Fähigkeiten auszubilden und autonom zu werden, lernen sie in der Regel automatisch – ganz ohne besondere Förderangebote. 

So können wir darauf vertrauen, dass unser Kinder die Fähigkeiten wie drehen, krabbeln, laufen, Fahrradfahren, schreiben, lesen und rechnen erlernen werden. Umso wichtiger ist es, unser Kind so anzunehmen wie es ist. Je entspannter wir die Entwicklung beobachten, desto mehr können wir die gemeinsame Zeit genießen und unser Kind in seinem ganz eigenen Charakter kennenlernen. 

Auch Prof. Dr. Remo Largo versichert, dass jedes Kind lernen möchte, aber in seinem Tempo und auf seine Weise: „Damit ein Kind sich gut entwickeln kann, beziehungsfreudig, neugierig und motorisch aktiv ist, braucht es gewisse Voraussetzungen. Eine innere Voraussetzung bringt das Kind mit: Es will sich entwickeln. Es hat einen inneren Drang, zu wachsen und sich Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen. Eltern müssen sich nicht ständig aktiv bemühen, damit das Kind Fortschritte macht. Es braucht nicht ‚gefördert’ zu werden. Das Kind entwickelt sich aus sich heraus, wenn körperliches und psychisches Wohlbefinden gewährleistet sind.“

Die Sache mit dem Schlafen

Meist sind es unbedachte Äußerungen von außen, die uns verunsichern. Kommentare, die uns daran zweifeln lassen, ob wir alles richtig machen und nichts verpassen, was im späteren Leben einmal zum Nachteil wird. 

So war es bei mir das Schlafen meines Sohnes, das oftmals zum Thema wurde. Als er ca. 1 1/2 Jahre alt war, fing er an, nicht mehr in seinem Gitterbettchen, sondern in unserem Elternbett schlafen zu wollen. „Was? Immernoch?!“ Für mich war das eigentlich ok. Er schlief bei uns viel fester und wir genossen seine Nähe. Trotzdem war ich manchmal verunsichert. Als wir das Gitterbettchen schließlich aussortierten, kauften wir ihm zunächst kein neues Bett, da klar war, dass er sowieso nicht darin schlafen würde. Das Familienbett wurde ein fester Bestandteil unseres Alltages. 

Vor einigen Monaten fragte uns der kleine Mann aus heiterem Himmel, wann wir ihm ein eigenes Bett kaufen würden. Gesagt, getan. Stolz wie Oskar schläft er seit der ersten Nacht nach dem Aufbau nun in seinem eigenen Bett in seinem eigenen Zimmer. Alleine. (Naja, zumindest den ersten Teil der Nacht bis er dann schlaftrunken zu uns rübengetapst kommt. :-)) Ohne, dass wir mit ihm üben oder ihm in irgendeiner Form dabei helfen mussten. Es kam ganz aus ihm selbst heraus. 

Das Gegenteil von Durchschnittlichkeit ist übrigens Einzigartigkeit. 

Viel wichtiger als die Entwicklung unseres Kindes mit Argusaugen zu beobachten und mit denen der anderen zu vergleichen, ist es, ein empathischer Lebensbegleiter zu sein. Indem wir auf seine Bedürfnisse eingehen und es respektvoll behandeln, uns ihm zuwenden, Halt, Sicherheit und Geborgenheit geben, schaffen wir den besten Nährboden für die Entwicklung. 

Also: Vertraue deinem Kind, dass es alles, was es zum Leben braucht zu seiner eigenen Zeit lernen wird. 

Wie stehst du zu dem Thema? Bist du eher entspannt oder machst du dir manchmal Sorgen, dass dein Kind hinterherhinken könnte? Alles Liebe, deine Lilly 

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